Deutsche Grenzen unter Druck
Die Forderungen klingen markig, die Realität ist ernüchternd: CDU-Chef Friedrich Merz hat in den vergangenen Tagen erneut einen wirksamen Schutz der deutschen Grenzen angemahnt.
Angesichts der anhaltenden Migrationsbewegungen und wachsender gesellschaftlicher Spannungen ruft er die Bundesregierung auf, entschlossener gegen illegale Einreisen vorzugehen und bestehende Grenzkontrollen massiv zu verstärken.
Quelle: „Merz fordert mehr Grenzschutz“ – Bericht u.a. aus Welt vom 18. Mai 2025
Doch ein Blick hinter die Kulissen offenbart: Die Einsatzkräfte der Bundespolizei schlagen selbst Alarm. Intern heißt es, das derzeitige Pensum an Grenzkontrollen sei lediglich noch „vier bis sechs Wochen“ aufrechtzuerhalten – dann seien die personellen und organisatorischen Kapazitäten erschöpft. Bereits jetzt arbeiten viele Beamtinnen und Beamte am Limit, mit hohen Überstundenkonten und zunehmender Frustration.
Quelle: Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Interview mit GdP-Vize Jörg Radek vom 16. Mai 2025
Die Situation wirkt paradox: Während von politischer Seite immer wieder ein härteres Durchgreifen gefordert wird, fehlen zugleich die Ressourcen, um genau das umzusetzen. Merz spricht von staatlicher Handlungsfähigkeit – doch was nützt sie, wenn sie an der Belastungsgrenze ihrer ausführenden Organe endet?
Noch schlimmer: Die Bundesregierung scheint derzeit keine nachhaltige Strategie parat zu haben. Ad-hoc-Maßnahmen, verschärfte Tonlagen und symbolische Grenzkontrollen mögen kurzfristig beruhigen – sie lösen aber keine strukturellen Probleme. Weder auf europäischer Ebene noch im deutschen Verwaltungssystem wurden seit 2015 grundlegende Reformen vorangetrieben, die Polizei und Justiz nachhaltig entlasten könnten.
Quelle: Bund der Deutschen Kriminalbeamten – Analyse zur Sicherheitslage 2024
Eine unbequeme, aber realistische Option: Bundeswehr an die Grenze?
Wenn der Grenzschutz tatsächlich als nationale Aufgabe betrachtet wird – warum übernimmt ihn dann nur ein Teil des Staates? In vielen anderen Ländern – etwa Frankreich, Ungarn oder Italien – wird die Armee in bestimmten Ausnahmesituationen zur Sicherung sensibler Infrastruktur eingesetzt. In Deutschland hingegen wird der Einsatz der Bundeswehr im Innern weiterhin als Tabu behandelt.
Dabei gäbe es verfassungsrechtlich durchaus Spielraum. Artikel 35 und Artikel 87a des Grundgesetzes lassen unter engen Voraussetzungen Amtshilfe durch die Bundeswehr zu – etwa zur Unterstützung der Polizei in besonderen Lagen. Sollte die Bundespolizei tatsächlich ausfallen oder überfordert sein, wäre dies eine denkbare Eskalationsstufe.
Quelle: Deutscher Bundestag, Wissenschaftlicher Dienst – Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern, WD 3 – 3000 – 075/21
Natürlich müsste ein solcher Schritt gut vorbereitet und rechtlich abgesichert sein. Doch in einer Situation, in der die Grenzen offen bleiben, weil es am Personal mangelt, darf diese Debatte nicht länger als politisches Tabu gelten. Wer den Schutz der Außengrenzen ernst meint, muss auch über unpopuläre Maßnahmen nachdenken – und bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, jenseits von Sonntagsreden und Schlagzeilen.
PALEDIUM.DE meint: Der Staat verliert seine Handlungsfähigkeit nicht durch äußeren Druck, sondern durch internes Zögern. Wer heute den Grenzschutz fordert, muss auch sagen, wer ihn leisten soll – und wie lange. Die Bundeswehr bleibt ein realistisches Instrument, solange der politische Wille vorhanden ist. Andernfalls bleiben Worte wie „Grenzschutz“ leere Hüllen.